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Sprachgestalter, Lehrer, Therapeuten, Schauspieler, Logopäden
'Gehen wir davon aus, dass auch ich zusammenbrechen kann, gehen wir auch davon aus, dass ich bereits zusammengebrochen wäre, dass ich in ein Grab hineingehen müsste, so gäbe es dennoch aus diesem Grabe eine Auferstehung. Wenn ich hier zum Thema vorgefunden habe: Sprechen über dieses Land, so denke ich, das erste, was zu dieser Auferstehung führen würde, wäre der Born dessen, was wir die deutsche Sprache nennen. In dieser Auferstehung aus einer Zerstörtheit, die uns alle betrifft und zu der wir uns auch alle nach außen wenden sollten, sowohl mit unseren Fähigkeiten, aber ganz besonders mit unseren Unfähigkeiten, dass wir im Gehen zu diesem Born, im Benutzen der deutschen Sprache, miteinander ins Sprechen kämen und wir erleben würden, dass aus dem Sprechen miteinander sich uns nicht nur die leibliche Gesundheit wieder einstellen würde, sondern dass wir auch ein elementares, tiefes Fühlen erreichen würden, für das, was auf dem Boden geschieht, auf dem wir leben, für das, was auf dem Acker, was auch im Walde, auf der Wiese, was im Gebirge gestorben ist. Wir würden durch unser eigenes Sich-Verlebendigtwerden durch Sprache den Boden mitnehmen, das heißt, wir würden einen Heilungsprozess an diesem Boden vollziehen können, auf dem wir alle geboren sind. Im Sprechen dieser Sprache und im offenen Zeigen dessen, was wir nicht können, und im Versuch, ein hohes Ziel anzustreben, ein hohes Ziel anzustreben, das man nennen könnte: die Frage nach der Aufgabe der Deutschen in der Welt, würden wir zumindest die erste Sicherheit für die Möglichkeit finden, an uns selbst zu erfahren, was denn eigentlich die Eigenschaften des deutschen Genius, der deutschen Fähigkeit, wären. Wir würden im Formen dieser Sprache erkennen, dass sich durch ihren bewussten Gebrauch die Begriffe ergäben, die Welt, das heißt, das Vorgegebene, so krank es auch sei, mit wesensgemäßen Begriffen so zu beschreiben, dass eine Heilung möglich wäre. Wenn ich hier über das eigene Land spreche, kann ich mich auf nichts Jüngeres und Ursprünglicheres berufen als auf unsere Sprache. Mein Weg ging durch die Sprache, so sonderbar es ist, er ging nicht von der sogenannten bildnerischen Begabung aus.' (Joseph Beuys, München, 20. November 1985)