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Konrad Wolfram (Zauberspiegel-online. de) am 03.10.2012Vom bösen Spiel der drei TodesherrscherIn Edinburgh gibt es ein nettes kleines Bestattungsunternehmen, das vom alten Miller geführt wird. Und einer, den er in die Kunst dieser Zunft einführt, ist Harris McLiod. Und eben besagter McLiod ist so ziemlich alles, nur eben nicht ein Held von altem Schrot und Korn. Ja, er ist sogar etwas anders, als vielleicht Ihr direkter Nachbar. Und so wirklich am Leben hängt er wohl nur zeitweise. Harris McLiod ist jedenfalls der festen Überzeugung, dass dieser Job ihm gerade zu viel zum Sterben, und zu wenig zum Leben gönnt. Warum also nicht gleich mal aus dem Leben scheiden, indem man sich mit rauen Burschen an deren Spiel beteiligt und außer einem Schlüssel nichts zu bieten hat? Sie werden ihn schon ordentlich ins Jenseits befördern. Zumindest geben sie sich alle Mühe dazu, doch dann findet sich Harris McLiod irgendwo in einer seltsamen und schaurigen Zwischenwelt wieder. Und die, die über seinen weiteren Weg zu befinden haben, wollen ihn noch nicht gehen lassen. So findet sich Harris McLiod bald schon unter den Lebenden wieder. Der alte Miller hatte unterdessen einen recht schmerzhaften und unschönen Tod gefunden. Was also liegt näher, als mit den kleinen und großen Geheimnissen des alten Miller an anderer Stelle mit dem Bestatterhandwerk neu zu beginnen. Das Bildnis schwindet und eine Hand legt sich mir auf die Schulter. „So ist der Kreislauf der Hölle. Es hört nie auf. Die Ewigkeit ist ein störrisches Luder, das ewig weiterfeiern wird. Das erwartet dich, wenn du loslassen möchtest. Oder ein Leben in unserem Dienst. Deine Entscheidung. Du hast nicht viel Zeit. Sag ja. oder lass es sein.“(Rona Walter: Kaltgeschminkt / Seite 31)Harris McLiod ist etwas anders als wir. Angeregte Unterhaltungen sind nicht sein Ding und eher geht er den geselligen Menschen aus dem Weg, statt sich mit ihnen die Zeit zu vertreiben. Leichen dagegen sind da schon pflegeleichter und sie nerven nicht mit unsinnigem Gerede. McLiod mag Tätowierungen und einen guten Whisky, etwas Opium in der Zigarette und den desillusionierten Sarkasmus, den er gerne versprüht. Nur leider sieht das James etwas anders. James erzählt mir von Gerüchten, die jenseits der Szene die Runde machen, und zwar, dass man auf 'schwarzen Partys' keinesfalls lachen darf! Wer es dennoch tut, wird ausgeschlossen. Wovon oder woraus weiß hingegen niemand so genau. Oder von wem. „Man trifft sich hier ja angeblich auch nur, um Babys zu essen“, meint James kühl. „Bevorzugt mit Honig-Senf-Sauce.“(Rona Walter: Kaltgeschminkt / Seite 81)James kennt das Handwerk, wie man Leichen herrichtet. Auch er war einmal ein Schüler des alten Miller. Auch scheint er für McLiod mehr über die seltsamen Besucher zu wissen, die Miller empfing, aber die er nie zu Gesicht bekam. Sollten es vielleicht sogar die gleichen Gestalten aus der Zwischenwelt sein, die Todesherrscher, mit denen auch McLiod quasi einen Pakt geschlossen hat? Dabei hat James ein Problem mit einer Leiche, die, egal wie oft er sie herrichtet, am nächsten Tag wieder so entstellt aussieht wie vorher. Um diese negative Situation zu beheben, soll McLiod mit ihm nach Deutschland, genauer nach Hamburg kommen. Und irgendwie ahnt man schon, dass die unsichtbare Verbindung zwischen McLiod und James nicht im positiven Licht erstrahlen wird. Und erst einmal in Hamburg angekommen, trifft McLiod auch sogleich auf die ebenso elfengleich schöne wie junge Partnerin von James - Rachelle. Auch diese Sache macht das Leben von Harris McLiod nicht gerade einfacher, denn irgendwie scheint er sich in die geheimnisvolle Rachelle zu verlieben, die aber ebenfalls nicht wirklich so ganz von dieser Welt zu sein scheint. Erneut beugt sie sich über den gelegentlich zuckenden Körper um sich eine neue Quelle zu suchen. „Ich rufe dich, wenn der letzte Herzschlag fällig ist.“ Ich nickte. „Gut, bis dann.“(Rona Walter: Kaltgeschminkt / Seite 202)Man mag mich jetzt erschlagen, aber KALTGESCHMINKT jetzt die Genrebezeichnung Horror zu verpassen, würde dem Roman eigentlich nur unrecht tun. Er hat zwar seine blutigen Momente, doch getragen wird die Story eher durch die durchgehend düstere Atmosphäre, die sich Stück für Stück immer weiter ausbreitet. Dabei gelingt es der Autorin in ihrem Romandebüt, den Leser irgendwie das Gefühl zu vermitteln, die Handlung spiele in der viktorianischen Zeit und jeden Moment besteigt Harris McLiod eine Kutsche mit doppeltem Pferdegespann. Doch dann - PENG - finden wir uns in einer Art Gothic-Klub wieder oder in einem Auto. Wie gesagt, es ist die Atmosphäre, die Rona Walter hier gekonnt aufzubauen weiß und die die gesamte Geschichte mit einem düsteren Mantel des Geheimnisvollen und Schaurigen umschließt. Geradezu perfekt baut sie dabei Stück um Stück die handelnden Figuren auf und gibt ihnen quasi schon eine eigene Seele. So kann z. B. eine Figur wie Harris McLiod noch so unsympathisch daherkommen, und trotzdem beginnt man sich als Leser eben mit dieser Figur zu identifizieren. Dabei entsteht auch nie der Eindruck, dass die anderen Protagonisten wie Rachelle oder James zu Randfiguren werden, die nur den besagten „Helden“ flankieren. Das ganze düstere Treiben wird dabei gekonnt gemischt mit jeder Menge Recherche über das Handwerk eines Leichenbestatters, seinem Können und seiner Kunst, und dem Spiel mit den schaurigen Legenden über Blutfeen oder den drei Todesherrschern und ihrer jeweiligen Art, jedem seine ganz persönliche Hölle zu bereiten. Ja, man spürt beim Lesen fast körperlich die unheilschwangere Atmosphäre, wenn sich McLiod im Pandämonium der Todesherrscher befindet, weil es für die Seelen der Toten eigentlich keinen Himmel gibt. Nun möchte ich auch an dieser Stelle nicht intensiver in die Handlung des Romans KALTGESCHMINKT eingehen, um einerseits den Lesern nicht zu viel vorwegzunehmen. Andererseits fällt es mir hier aber auch etwas schwer, die richtige Wortwahl zu finden, um diesen Roman treffend zu beschreiben. Man könnte aber durchaus sagen, dass es Rona Walter hier vortrefflich gelingt, die frühere Tradition des Schauerromans in unsere Zeit zu überführen, und dabei den unnachahmlichen Flair eben dieser Klassiker der Literatur auch im modernen Stil weiter auf hohem Niveau zu halten. Gleichsam geht Rona Walter mit KALTGESCHMINKT neue, oder sollte ich sagen, andere Wege, während die meisten Verlage immer noch den Vampir-, Werwolf- und Zombie-Hype auszuschlachten versuchen, aber ängstlich auf Alternativen reagieren. Wer meine Rezensionen kennt, dem dürfte bekannt sein, dass ich, was den Härtegrad angeht, ziemlich schmerzfrei bin. Eben in diese Richtung geht der Roman KALTGESCHMINKT meiner Meinung nach nicht. Doch dafür weiß er auf eine Art und Weise zu gefallen, die heute von vielen Autoren nicht mehr oder wenn, dann nur noch recht selten gepflegt wird. Von meiner Seite aus also eine eindeutige Leseempfehlung.
Das Spiel beginnt – Verlierer verboten! (Seit jeher zocken die drei 'Todesherrscher' um die verstorbenen Seelen von Mördern, Betrügern und schlechten Menschen. Gaja - die Lockende, die Trinität - mit seiner Waagschale zur Wiedergeburt und Arcaeon - Herr der ewigen Pein.) In Hamburg versucht der Bestatter James Beastly erfolglos eine Leiche zu präparieren – doch die ist am nächsten Morgen jedes Mal in unverändert grausam zugerichtetem Zustand. In Schottland lässt sein Kollege Harris McLiod keine skurrile Möglichkeit zum – letztendlich erfolglosem – Selbstmord aus. Als Harris sich des Toten in Hamburg annehmen soll, erhält er unerwünschte Einblicke in die wahre Arbeit von James. Unfreiwillig kommt er den morbiden Geheimnissen seines Kollegen auf die Schliche. Längst haben 'Die Drei' eine Wette um James´ Seele abgeschlossen – und Harris soll sein Nachfolger werden. Doch was die Todesherrscher mit ihren Angestellten vorhaben, ist unwahrscheinlich grausamer, als man sich in seinen dunkelsten Philosophiestunden ausmalen kann.