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Luhmann hat Konjunktur und das hat zwei Gründe: Erstens hat außer ihm niemand den Mut zur Gesellschaftstheorie. Zweitens hat Luhmann als Soziologe keine Angst vor der Philosophie. – Er nimmt es mit jedem auf. Mit Luhmann kann es einem gehen wie bei der Lektüre von Hegels Phänomenologie des Geistes: Man bekommt als Leser rasch das Gefühl, jeder Gedanke, jede Theorie sei hier schon gedacht, genau platziert und »aufgehoben«. Am Ende der Phänomenologie des Geistes ist der blinde Fleck»aufgehoben« – das aber gibt es bei Luhmann nicht. Luhmann will nicht fortsetzen, sondern radikal neu anfangen. Deshalb tritt bei ihm an die Stelle der Tradition der Kriti- schen Theorie die Theorie des blinden Flecks. Der blinde Fleck ist die Bedingung der Möglichkeit von Beobachtung. Und jede Erweiterung unseres Blickfeldes verdanken wir einem neuen blinden Fleck. Dass man nicht sieht, ist aber nicht das Problem, sondern vielmehr: Man sieht nicht, dass man nicht sieht; die Blindheit wird nicht wahrgenommen. Durch ihre Selbstanwendung macht sich die Theorie des blinden Flecks immun gegen Kritik. Norbert Bolz benennt in Ratten im Labyrinth klar die notwendigen Sichtbeschränkungen einer großen Theorie und fragt, ob die Systemtheorie überhaupt in den Blick bekommen kann, was wirklich zählt.