Nachtgespräche, niedergeschrieben
Auswahl, Übersetzung aus dem Chinesischen, Einleitung und Anmerkungen von Rainer Schwarz
von Hebengge„Ich bin jetzt 44 Jahre alt, und noch ist mir kein Wunder begegnet. Aber ich liebe es, immer wieder mit zwei, drei Freunden zusammen beim Wein- oder Teetrinken die Kerze zu löschen und über Gespenster zu reden oder im Mondlicht zu sitzen und von Fuchsgeistern zu sprechen. Wurde dabei etwas Außergewöhnliches berührt, so habe ich es notiert, und im Laufe der Zeit ist ein Buch daraus geworden, das dem eigenen Vergnügen dient.“
Diese Zeilen aus dem Vorwort von Hebengge [chin. Hebang’e] (geb. 1736) erklären, warum der Autor bzw. Kompilator dieser Geschichten seiner Sammlung den Titel Yetan suilu, „Nachtgespräche, niedergeschrieben“, gab. Füchse, Wölfe, Moschustiere, eine Lotosblume und eine Wassernusspflanze verwandeln sich in blühende junge Mädchen und gehen erotische Beziehungen mit unbedarften Jünglingen ein; Totengeister treten als lebende Menschen auf, um offene Rechnungen zu begleichen, und ein Gelehrter wird Kanzler in einem Ameisenstaat – ein vielfarbiges und nicht gerade prüdes Kaleidoskop von Geschichten, die zweifellos in der Tradition des großen Geschichtenerzählers Pu Songling (1640–1715) stehen.
Durch alle Phantastik schaut aber auch das reale Leben im chinesischen Kaiserreich während seiner letzten Blütephase im 18. Jahrhundert deutlich hindurch.
Rainer Schwarz wurde 1940 in Berlin geboren. Er studierte Sinologie, promovierte zum Dr. phil., war dreißig Jahre lang als Dolmetscher tätig und übersetzte ein gutes Dutzend Bücher aus dem Chinesischen und dem Russischen.