Loki, Linas, Pinguin, Faust von Arvid Kowall | Deutsche Notizen - Eine Collage | ISBN 9783931559960

Loki, Linas, Pinguin, Faust

Deutsche Notizen - Eine Collage

von Arvid Kowall
Buchcover Loki, Linas, Pinguin, Faust | Arvid Kowall | EAN 9783931559960 | ISBN 3-931559-96-3 | ISBN 978-3-931559-96-0

Loki, Linas, Pinguin, Faust

Deutsche Notizen - Eine Collage

von Arvid Kowall
Um den faustischen Menschen, den Suchenden, Strebenden, hat der Autor Mythen und Sagen gewoben und aktuelle Zeitgeist-Gedanken, Alltagserlebnisse und Minifiktionen montiert, die er „Deutsche Notizen” nennt. In diesem kreativen Episodentext führt er die gesellschaftsgeschichtliche Entwicklung auf unübliche Weise vor und nähert sich aus mancherlei Richtungen dem Thema „Handlungskompetenz”. Ein Überlegens-Buch! Presseinfo:
Der Autor, Jahrgang 1958, hat in seinem Buch gesellschaftliche Ereignisse und persönliche Erfahrungen vor allem aus dem Zeitraum 1978 - 1998 verarbeitet. Die behandelten Themen gliedern sich in die vier Bereiche Mythologie, Geschichte, Alltag und Zukunft. Die mythologischen Sagen und Legenden nehmen dabei den größten Raum ein. Hinter ihrer Bearbeitung steht die Intention, die mythologischen Stoffe der germanischen Göttersage, des Nibelungenliedes, der Artus-Sagen und der verschiedenen Bearbeitungen der Geschichte des Dr. Faust in einer durchgängigen Handlung darzustellen und so ihre Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.
Diese Gemeinsamkeiten bestehen aus der Sicht des Autors am Beispiel der Figur des Faust darin, dass sie das aktive Individuum repräsentiert, welches versucht, den Lauf der Welt durch selbst gesetzte Werte, Ziele und Handlungen in seinem Sinn zu beeinflussen. Diese Intention findet sich auch in den Figuren Wotan, Artus und den späteren Behandlungen des Faust-Stoffes, wie in der Person des Adrian Leverkühn aus dem Dr. Faustus von Thomas Mann. Weitere Ähnlichkeiten finden sich auch darin, dass der Faust-Figur in allen vier Themenkreisen ein „Helfer” zur Seite steht. In der Göttersage und im Nibelungenlied ist dieser in der Gestalt des Gottes Loki anzutreffen. In der Artussage kommt er als Merlin und im Faust als Mephisto vor. Bei Thomas Mann ist diese Figur nur noch verdeckt zu erkennen. Da Adrian Leverkühn aber erst nach der Infektion mit einem tödlichen Virus, das er sich durch den Besuch bei einer Prostituierten „verschafft”, den notwendigen Arbeitseifer für die Komposition einer genialen Musik entwickelt, kann dieses Virus als der Helfer betrachtet werden, das Loki, Merlin und Mephisto zeitgemäß vertritt. Außerdem ist für die erwähnten Figuren typisch, daß sie zunächst ein Opfer bringen müssen, um ihre Ziele verwirklichen zu können. Wotan wirft zu diesem Zweck eines seiner Augen in den Brunnen der Weisheit. Artus muß in der Umformung als Amfortas bei Richard Wagner mit einer schwärenden Wunde leben. Faust übereignet dem Teufel seine Seele und Adrian Leverkühn wird tödlich krank. Diese letzte Gemeinsamkeit verweist offensichtlich auf die griechische Mythologie, in der Prometheus für sein selbstständiges Handeln damit bestraft wird, daß ein Adler an seiner Leber frisst. Diese und andere mythologische Kerne, die im Buch in einer Tabelle verdeutlicht werden, haben nach Auffassung des Autors auch die europäische und vor allem die deutsche Geschichte beeinflußt. Aus diesem Grund werden verschiedene historische Ereignisse angesprochen, in denen die Parallelität zwischen Mythologie und Geschichte auffällig wird. Evident ist hier natürlich die Zeit des Nationalsozialismus, deren Ideologen sich als besonders brachiale Vertreter des Opferprinzips und des selbstbestimmten Individuums verstanden haben. Aber auch für die Exponenten der RAF lassen sich in den Gestalten Krimhild oder Kohlhaas mythologisch-literarische Vorläufer finden.
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Diese Entwicklungslinien, die immer damit gekoppelt sind, dass bestimmte Ideologien als Wahrheiten vertreten werden, lassen sich für den Autor mindestens bis in die Zeit der 68er erkennen. Spätestens in den siebziger Jahren ist aber ein zunehmender Verfall verbindlicher Werte zu beobachten. Im ausgebrochenen Zeitalter der Postmoderne wird es daher zunehmend schwieriger, eigene Handlungen begründen zu können. Diese abstruse Situation beliebiger Entscheidungsmöglichkeiten und die Suche nach neuen Orientierungspunkten wird im Buch vor allem in den Alltags- und Zukunftsgeschichten beschrieben. Sie kulminiert im letzten Satz des Buches, wo die suchende Person sich möglichst vollständig aus dem Weltgeschehen zurückzieht und „Eisblumen auf Fensterglas” betrachtet, da sie keine verbindliche Orientierung erkennen kann. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß es keine Handlungsmöglichkeiten mehr gibt. Denn schließlich geht es immer noch darum, wie man als Mensch glücklich leben kann. Anhaltspunkte, wie dies vielleicht zu erreichen ist, sind im Buch an verschiedenen Stellen zu finden, die bestimmte Erlebnisse und Beobachtungen als wesentliche Dinge des Lebens beschreiben:
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„Aber schließlich, die Seidenstraße. Wüste Taklamakan. Höhlenklöster in Dunhuang. Sommertage im Frühjahr. Fluginsekten fliegen punktförmig im Hellen. Zarte Flügelschläge. Schmetterlinge”.
Trotzdem besteht natürlich die Gefahr, dass das vorhandene Vakuum der Werte nicht zu einer neuen Orientierung führt, sondern an sich bereits überlebte mythologisch-geschichtliche Strukturen wieder Fuß fassen können. In dieser Hinsicht werden im Buch die neuen Heiden thematisiert, die wieder versuchen, ideologische Wahrheiten zu verbreiten. Doch der Autor sieht auch die Einführung des EURO mit kritischen Augen und zeigt Verbindungen auf, die darauf aufmerksam machen, dass das heutige gemeinsame Wirtschaftseuropa sich, besonders aus deutscher Sicht, nicht allein das „Heilige Römische Reich deutscher Nation” zum Vorbild nehmen sollte. Das vorliegende Buch kann als postmoderner Roman in der Form einer Collage verschiedene Ebenen, Sprachstile und Sprachformen nutzen, um als kreativer Episodentext die gesellschaftliche Entwicklung zu beleuchten. Aufgrund der vielfältigen Bezüge dieser literarischen Collage kann dieser „Erstling” als interessantes Leseerlebnis empfohlen werden.
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Pressestimmen:
Hagener Rundschau, 05.02.1999:
. Jahrgang 1958 ist der Autor. Seit 15 Jahren lebt er in Wehringhausen, und wenn er von trinkfreudigen Mieterversammlungen am Fuße des Goldbergs, dem alternativen Buchladen und der Cappucino-Bestellung in der Eisdiele an der Ecke erzählt, dann ist sein Buch keinesfalls mehr schwierig: “Kannze mal noch bißken Milch rein tun, Frau Martini, sonst isser zu stark.” Arvid Kowall hat es jedenfalls an der Milch für seine literarische Collage nicht fehlen lassen.