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Ottobrunner Tristette
von Dirk HeldDer Umzug – eine scheinbare Selbstverständlichkeit in einer mobilen Welt – erscheint in diesen Gedichten als ein existentielles Problem im Alltagsformat. Gestern Berlin, heute Ottobrunn. Das ist nicht Medea, hat nichts Tragisches und doch: Es fehlt beinahe alles! Die alten Freunde, die alten Wege, die alten Kneipen und – gut verpackt in ein schmuckes Häuschen mit Garten – auch das alte Freiheitsgefühl. Entsprechend trifft man in diesen Gedichten allenthalben auf seelische Vermisstenanzeigen, kleine Ausbruchsfantasien, alkoholische Exkurse in das Vergessen und melancholische Stoßseufzer, die von reichlich Selbstironie begleitet werden.
»Nur wenige Möbel stehen noch schräg«
Und auch wenn sich der Autor und sein lyrischer Sprecher jeder freudestrahlenden und allwetterfesten Entdeckereuphorie verweigern, müssen andererseits doch auch stotternde und holprige Neuanfänge gewagt werden:
Ihre Zukunft geht sie nichts an. Gelassen, beinahe bewegungslos, treiben sie rückwärts den Strom hinab. Kein Brückenpfeiler der Isar,
kein toter schwarzer Ast soll diese Leichtigkeit stören. Vorsicht verdirbt doch nur alles. Keine Korrekturen! Andrerseits schwindet die Welt
vor ihren Augen. Doch sei’s drum. Ich will keinen Engel bemühen, weil ein paar Möwen rückwärts treiben. Ich seufze kurz und parke aus.«
Held verbindet in seinen Gedichten konkrete, zuweilen satirisch zugespitzte Streifzüge durch die Münchner Speckgürtelrealität (Airbus, Biometzger, SUVs und Klavierlehrer spielen eine Rolle) mit einem tieferen Blick in die eigenen Verunsicherungen. Orientierungssuche und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung kehren leitmotivisch wieder.
Für sein Thema hat Held eine eigene lyrische Form entwickelt: Tristette, in denen Tristesse und Terzett verschmelzen. Jedes Gedicht besteht aus drei Terzetten, die metrisch frei, aber rhythmisch erkennbar organisiert sind. Dieser vergleichsweisen formalen Begrenzung kontrastiert die große inhaltliche Offenheit der Texte und ihr sprachlicher Gestus, der zwischen Alltags- und Hochsprache, Lakonie, Melancholie, Selbstironie, Ernsthaftigkeit und Witz oszilliert.
»Nur wenige Möbel stehen noch schräg«
Und auch wenn sich der Autor und sein lyrischer Sprecher jeder freudestrahlenden und allwetterfesten Entdeckereuphorie verweigern, müssen andererseits doch auch stotternde und holprige Neuanfänge gewagt werden:
Ihre Zukunft geht sie nichts an. Gelassen, beinahe bewegungslos, treiben sie rückwärts den Strom hinab. Kein Brückenpfeiler der Isar,
kein toter schwarzer Ast soll diese Leichtigkeit stören. Vorsicht verdirbt doch nur alles. Keine Korrekturen! Andrerseits schwindet die Welt
vor ihren Augen. Doch sei’s drum. Ich will keinen Engel bemühen, weil ein paar Möwen rückwärts treiben. Ich seufze kurz und parke aus.«
Held verbindet in seinen Gedichten konkrete, zuweilen satirisch zugespitzte Streifzüge durch die Münchner Speckgürtelrealität (Airbus, Biometzger, SUVs und Klavierlehrer spielen eine Rolle) mit einem tieferen Blick in die eigenen Verunsicherungen. Orientierungssuche und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung kehren leitmotivisch wieder.
Für sein Thema hat Held eine eigene lyrische Form entwickelt: Tristette, in denen Tristesse und Terzett verschmelzen. Jedes Gedicht besteht aus drei Terzetten, die metrisch frei, aber rhythmisch erkennbar organisiert sind. Dieser vergleichsweisen formalen Begrenzung kontrastiert die große inhaltliche Offenheit der Texte und ihr sprachlicher Gestus, der zwischen Alltags- und Hochsprache, Lakonie, Melancholie, Selbstironie, Ernsthaftigkeit und Witz oszilliert.