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Pädagogen
"Ich bin anders als... Du bist anders als... er ist anders als sie."
Das Problem der Empathie in der Pädagogik
Vorwort von Wilfried Seiring und Vorwort von Petra Caysa, herausgegeben von Brigitte Wieczorek-SchauerteAuszug
Liebe Leser, liebe Leserinnen, die vorliegende Ausgabe der Reihe „Freiheit und Vernunft“ enthält Beiträge einer Tagung, die in Zusammenarbeit des Ausbildungsinstituts für Humanistische Lebenskunde und des Instituts für Systemische Beratung und Pädagogik an der Humanistischen Akademie am 20. Oktober 2012 in Berlin stattfand. Die Autoren und Autorinnen haben sich dem Thema „Empathie in der Pädagogik“ aus unterschiedlichen Perspektiven genähert. Als Gastgeber war es uns wichtig, unsere Erfahrungen mit der Humanistischen Lebenskunde in Theorie und Praxis mit anderen pädagogischen Arbeitsbereichen hinsichtlich des Themas zu vergleichen. Die Autoren und Autorinnen sind alle in der Lehreraus- und -Weiterbildung tätig und bemüht, einander über einen Austausch zu bereichern. Ingrid Dietrich und Alfredo López habe ich anlässlich internationaler Freinet-Treffen in Frankreich und Spanien kennen und schätzen gelernt und es entstand der Wunsch nach einer Zusammenarbeit. Mich selbst beeindruckt die Didaktik und Methodik Celestin Freinets, die gleichermaßen die individuelle Kreativität wie kollektive Produktivität in Lerngruppen mit Schülern und Schülerinnen fördert und die Arbeitsgruppen mit Pädagogen auf Tagungen zu erstaunlichen Erfahrungen werden lässt. Und klammheimlich, ohne dass dieser Ansatz oft explizit genannt wird, hat er Einzug in alle modernen pädagogischen Konzepte - ganz besonders in die Didaktik der Humanistischen Lebenskunde - gehalten. Freinets Pädagogik ist eine Erziehung zur Freiheit und Selbstbestimmung, verbunden mit dem Ziel, Kinder auf ein Leben als aktive Demokraten vorzubereiten. Dies macht Freinet zu einem aufgeklärten Humanisten. In dieser Tradition stehen die drei Referate zu Beginn, auch wenn der Titel der Tagung nicht direkt darauf verweist. Wo immer Pädagogen mit diesem Ansatz auftreten, sind sie bemüht auf Missstände in Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen hinzuweisen und Modelle zu entwickeln, die mit Hilfe eines großen Einfühlungsvermögens in deren Bedürfnisse, Kindern und Jugendlichen eine anregende motivierende Lernumgebung schaffen. Den Referenten ist es wichtig zu betonen, dass ihre Beiträge nicht unbedingt auf die Humanistische Lebenskunde abzielen - oft eine Insel der Glückseeligen - sondern die Situation in vielen Schulen im In- und Ausland widerspiegeln. So wie andere von uns und unseren Methoden lernen können, können andere uns mahnend daran erinnern, unser besonderes humanistisches Profil nicht aus den Augen zu verlieren und nicht klagend in alte pädagogische Muster zu verfallen oder den Einfluss der Institution Schule auf die Humanistische Lebenskunde zu unterschätzen. Staatliche Lehrer und Lehrerinnen haben es da manchmal leichter als hauptamtliche, aber es gibt auch den Vorteil, ein Grenzgänger zu sein. Was die anderen von uns lernen können, das ist neben einer modernen Didaktik die Bereitschaft der Lebenskundelehrer - egal ob im staatlichen Schuldienst oder für den Humanistischen Verband tätig - sich als Person und Persönlichkeit in den Unterricht einzubringen und sich als erwachsene zuverlässige Beziehungsperson zur Verfügung zu stellen. Und das tun sie nicht nur aufgrund einer natürlichen Begabung - die auch viele Pädagogen mit anderen Fächern täglich in ihrem Arbeitsfeld zeigen - sie haben im Studium der Humanistischen Lebenskunde die Möglichkeit, ihre professionelle Rolle mit anderen Lehrern zu reflektieren. Das bedeutet eine Würdigung und Anteilnahme durch Kollegen und Kolleginnen, gibt Sicherheit im Umgang mit den Schülern und Schülerinnen und beugt so einer pathogenen Überforderung vor. Psychologen und Hirnforscher, die mit der Erziehung und den daran Beteiligten befasst sind, bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Lernen und Lehren ist nur in tragenden Beziehungen erfolgreich. Die dazu nötige Empathie müssen Pädagogen und Pädagoginnen sich ständig neu erarbeiten, allein oder in der Gruppe.Brigitte Wieczorek-Schauerte