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Die Legende von Aleister Crowley
von Regardie Israel Regardie und P R Stephensen, aus dem Englischen übersetzt von Oliver FehnAleister Crowley wurde zu seiner Zeit auf skandalöse Weise verunglimpft und verleumdet, und die ihn umgebende „Legende“ hat sich bis auf den heutigen Tag am Leben erhalten. Abwechselnd bezeichnete man ihn als „Monster“, „verkommenes Subjekt“, „Verräter“, „böse“, „kriminell“, einen „Pornografen“, einen „Teufelsanbeter“ und so weiter.
Andere jedoch, die ihn näher kannten und sein Werk sorgfältig studiert hatten, nannten ihn auch ein „Genie“, den „Propheten des Neuen Aeons“, „den größten okkulten Gelehrten“ oder „ausgezeichnetsten Dichter“ des Jahrhunderts.
Crowley war ein Mystiker, Magier, Gelehrter, Poet, Bergsteiger und höchstwahrscheinlich auch ein echter Prophet. Ohne Zweifel wurde er zur „Legende seiner eigenen Zeit“Alice im Wunderland„
Der Equinox erscheint weiterhin
Gegrüßet seist du Maria!
Zwei weitere Gedichtbände
Das Ende des Equinox
Das Buch der Lügen
Buch Vier
Ein Poet aus Cambridge
Neunzehnhundertvierzehn
Kapitel 4 - Der Krieg (1914 - 1919)
Aktivitäten in Amerika
The International
Erneut der Equinox
Crowley und Amerika
Kapitel 5 - Nach dem Krieg
Die “Kindfrau„Ja, aber was für einer!“ Ich werde mich bemühen, solcherlei Extreme zu meiden. Ich kann nicht richtig mit Leuten diskutieren, die der Meinung sind, Crowley sei mehr als nur ein Mensch - einer aus der Hierarchie der Jenseitigen nämlich. Ebenso wenig aber gelingt es mir, mit Leuten zu diskutieren, die behaupten, er sei weniger als ein Mensch - nämlich (um es gelinde auszudrücken) ein Dämon in Menschengestalt. Als Nicht-Okkultist fühle ich mich nicht befugt, mich auf solche magischen Fachdiskussionen einzulassen. Eines der schlagkräftigsten Argumente, die es zu Gunsten Crowleys vorzubringen gibt, ist die Tatsache, dass er ohne jeden Zweifel ein Mensch ist.
Mehr noch: ein interessanter Mensch, ein außergewöhnlicher Mensch; und außerdem ein verdammt guter Dichter - sowohl was seine Lyrik angeht als auch sein Leben. Über sein dichterisches Schaffen weiß die Öffentlichkeit so gut wie nichts. Dafür sind eine Menge schmutziger Gerüchte im Umlauf. Ich schätze mich glücklich, nach eingehender Untersuchung sagen zu können: Diese Gerüchte sind erwartungsgemäß falsch, jedoch noch schändlicher, noch schäbiger als alles, was man diesem Mann zuvor schon in die Schuhe geschoben hat.
Dreißig Jahre lang bewarf man Crowley unverdrossen mit jeder Menge Schmutz, um sich in den letzten Jahren in ein regelrecht Bombardement hineinzusteigern. Schmutzwerfen auf Crowley - das ist zu einer beliebten sportlichen Disziplin geworden. Was umso leichter fällt, da er sich nicht die Mühe macht, dem geworfenen Schmutz auszuweichen. Er glaubt, er könne nicht getroffen werden, er hält jenen Schmutz und diejenigen, die damit werfen, für kurzlebige Erscheinungen, für gar nicht vorhanden, er misst ihnen keinerlei nennenswerte kosmische Bedeutung bei. Schreibt beispielsweise ein Journalist einen abfälligen Dreispalter, in dem er ihn mit Jack the Ripper vergleicht, scheint Crowley davon auszugehen, solch blanker Unfug werde von intelligenten Menschen ohnehin nicht geglaubt - und was die Nicht-Intelligenten denken, sei sowieso egal. Es ist gut möglich, dass Crowley das auf dieser Welt bestehende Ausmaß an mangelnder Intelligenz unterschätzt. Er ist ein ausgesprochen talentierter Literat, doch gegen die skurrilen Anfeindungen von Journalisten wie James Douglas und Horatio Bottomley hat er sich nie richtig verteidigt. Glaubt er womöglich, sie hätten es gar nicht verdient, von ihm ernst genommen zu werden?
Falls ja, so hindert sein Hochmut ihn vielleicht an der Erkenntnis, dass viel, sehr viel von dem geworfenen Straßenschmutz an ihm klebengeblieben ist. Eine Reihe „Normalbürger“, die sonst einen durchaus intelligenten Eindruck machen, empfinden Unbehagen, wenn Crowleys Name fällt und denken, an dem Gerede müsse ja „was dran sein“. Sie ziehen es vor, ihr Wissen über ihn aus der Gerüchteküche und der Lügenpresse zu beziehen, sie wollen „auf Nummer Sicher gehen“ und lieber nichts mit Aleister Crowley zu tun haben. Es ist schwer, solche Leute bei einer Diskussion aus der Reserve zu locken. Sie wollen darüber nicht reden. Trotzdem sind es Vorurteile, einfach nur Vorurteile, die sie gegenüber Crowley hegen. Er ist für sie gleichermaßen Anathema und Tabu.
Warum eigentlich? Wer oder was ist Aleister Crowley, dass man ihn wie keinen Zweiten zur Zielscheibe infamer Lügengeschichten macht? Diese Frage ist es, der ich in meiner kleinen Studie nachgehen möchte. Crowley ist ein kraftvoller Poet, und kraftvolle Poeten erfreuen sich meist keiner allzu großen Beliebtheit, siehe Byron etc., der auch heute noch als zweifelhafte Figur gilt. Jener morbide und weltfremde Schmierfink namens James Douglas schrieb erst kürzlich mit einem Schaudern über den „fettleibigen“ Byron.
Wahrscheinlich hätte Byron Douglas bei einem Wettschwimmen über den Hellespont gern ein wenig Starthilfe gegeben - von wegen Plattfuß, angebliche Fettleibigkeit etc. Noch viel wahrscheinlicher hätte er ihm sogar die Benutzung eines Schlauchboots gestattet. Und derselbe tintenklecksende Sportsmann war es, der Crowley als degeneriert und bösartig bezeichnete - einen Mann, der mehr Berge erklommen hat als Douglas je Artikel geschrieben. Und Berge reichen höher hinauf als die in einem Sonntagsblatt erlaubten Spitzfindigkeiten; und sind schwerer zu bewältigen.
Will man die Motive ergründen, die zu den Attacken auf Crowleys Leumund führten, so sollte man nie vergessen, dass er ein Dichter war, ein erfolgreicher Dichter, d. h. einer, der seine Berufung zum Poeten erfolgreich in die Tat umsetzte. Die Ressentiments von Kleinpoeten und frustrierten Dichterlingen wie James Douglas gegen einen erfolgreichen Kollegen können schreckliche Züge annehmen. Es hieße jedoch ins Unrealistische abzugleiten, wollte man sämtliche Legenden, die über Crowley verbreitet wurden, ausschließlich dem bitteren Neid seiner poetischen Mistreiter zuschreiben. Selbst dafür waren ihre Übergriffe noch zu boshaft. Wir müssen uns also anderswo auf die Suche machen.
Der Vaterlandsfreund Bottomley hat James Douglas bei der Ausgestaltung der Crowley-Legende in ihren gröbsten Bestandteilen, in ihren populärsten und aufsehenerregendsten Komponenten, auf jeden Fall zur Seite gestanden. Was sollen wir schon über den armen Bottomley sagen? Crowley hätte wahrscheinlich gesagt: „Er hat schon genug gelitten. Und genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken.“ Trotzdem kommen wir nicht dran vorbei, Bottomley und seinen John Bull ebenso wie James Douglas und seinen Sunday Express zu den Haupt-Schmutzwerfern gegen die in Bedrängnis geratene Hau-den-Lukas-Gestalt Crowley zu erklären.
Crowley hat jahrelang im Ausland gelebt. Und eigentlich hätte man meinen können, schlafende Hunde würden nicht geweckt werden - aber von wegen. Erst im Mai 1929 wurde Crowley im John Bull wieder einmal als „schlimmste Person Englands“ bezeichnet, gefolgt von der Warnung, er möge ja nicht wieder zurückkommen. Als Crowley nach London kam, traf er sich zu einem gemütlichen Abendessen mit einem Scotland Yard-Chef, und damit hatte es sich.
Die Herausgeber seiner mittlerweile im Druck befindlichen Autobiografie hatten bei ihrer Arbeit viel zu Lachen. Komische Käuze kamen in ihr Büro angetanzt, um kryptische Warnungen auszustoßen und wieder zu verschwinden, ohne dass jemand ihre Identität hätte feststellen können. Einer von ihnen murmelte: „Vergesst nicht, eure Finger zu kreuzen, wenn ihr von Aleister Crowley sprecht.“ Tatsächlich hielt er die eigenen Finger während seiner Anwesenheit in unserem Büro fortwährend gekreuzt. „Dieser Mann hat übernatürliche Kräfte“, sagte er. „Er kann Gedanken lesen; ja, er weiß, was wir jetzt in diesem Moment denken.“ Auf weitere Nachfrage wollte der seltsame Besucher keine Auskunft mehr erteilen, sondern machte sich nur - mit nach wie vor gekreuzten Fingern - von dannen und raunte mit schauriger Stimme wie der Geist von Hamlets Vater: „Vergesst es nicht, vergesst es nicht!“
Auch andere liebe Freunde gaben dem Herausgeber ihre „eindringlichen Warnungen“ mit auf den Weg und meinten es sogar gut. Die meisten von ihnen staunten nicht schlecht, wenn sie z. B. während einer Diskussion erfuhren, dass Crowley wieder in England weilte und wie ein ganz normaler Schriftsteller seinem Handwerk nachging, Druckfahnen korrigierte und die Zeitungen nach Buchkritiken durchforstete. Irgendwie hatten sie alle geglaubt, Crowley würde, sobald er einen Fuß auf die Insel setzte, sofort verhaftet werden. Als sie erfuhren, dass Crowley im Laufe seines abenteuerlichen Lebens nicht ein einziges Mal irgendeines Verbrechens beschuldigt worden war, sagten sie: „Hm, da sieht man mal, wie durchtrieben der Kerl ist.“
Die Legende lebt.
Viele Buchhändler weigerten sich hartnäckig, Werbeprospekte für Crowleys Bücher zu verteilen oder seine Autobiografie in ihr Sortiment aufzunehmen - selbst dann noch, als Bestellungen eingingen. Der typische Einwand von Personen, die keine Zeile des Buches selbst gelesen hatten, lautete: „Wir wollen mit diesem ganzen Liebeskult-Zeugs nichts zu tun haben!“ So gut wie alle ermahnten sie die Verleger in freundlichem Tonfall, "in allem, was mit Crowley zu tun hat, vorsichtig, sehr sehr vorsichtig zu sein's. Sie trennten sich zwar später im Streit, doch achtete Regardie Crowley weiterhin hoch. 1937 veröffentlichte er unauthorisiert in mehreren Werken die kompletten Geheimnisumwobenen Rituale und Aufzeichnungen des Ordo Templi Orientis (O. T. O.), da er den Zerfall des Ordens und den damit verbundenen Verlust aller bis dahin gemachten Aufzeichnungen befürchtete. Um 1934 trat er dem Golden-Dawn-Nachfolgeorden 'Stella Matutina' bei. Er starb 1983.
P. R. Stephensen war Autor und Verleger, der unter anderem Aleister Crowleys Buch „Gilles de Rais“ (Originaltitel: „The Banned Lecture, GILLES DE RAIS“, to have been delivered before The Oxford University Poetry Society by Aleister Crowley.) veröffentlichte. Crowley war an 'de Rais" und wird für seine vielen Talente vermutlich erst dann Anerkennung ernten, wenn wir - die weniger großen Geister - die Zeit finden werden, alles was er lehrte, zu verinnerlichen bzw. wenn sich der Welt die Gelegenheit bietet, Zugang zu seiner Vision zu finden.
Ohne Zweifel - Crowley war genau jener Poser, jener Egoist, jenes enfant terrible, als das seine Rezensenten ihn oft bezeichneten. Nur weigerten sie sich - abgesehen von ein oder zwei Ausnahmen - auch nur einen einzigen der übrigen Aspekte jenes Mannes wahrzunehmen, der nicht nur ein großer Mystiker, sondern auch ein aufrichtiger, hingebungsvoller und hart arbeitender Mensch war. Die Anforderungen, die er an seine Schüler stellte, waren nicht annähernd so hart wie das, was er sich selbst abverlangte. Natürlich bot er auch Anlass zu Kritik. Auf dieselbe Weise jedoch verlangt vieles von dem, was er tat, nach Lob und Anerkennung. Es ist höchste Zeit, neue Maßstäbe anzulegen und zu einem ausgeglichenen Urteil zu gelangen.
Dieses Buch sowie Das Auge im Dreieck werden als wertvolle und aufrichtige Würdigungen des wahren Aleister Crowley wohl lange Zeit gelesen werden. Man kann sie als eine auf Fakten gestützte Widerlegung der weit verbreiteten Gerüchte oder der von Nicht-Okkultisten verfassten Biographien verstehen. Wem es am notwendigen Wissen über Magie und Okkultismus mangelt, der wird Crowley niemals richtig einschätzen oder verstehen können.
Andere jedoch, die ihn näher kannten und sein Werk sorgfältig studiert hatten, nannten ihn auch ein „Genie“, den „Propheten des Neuen Aeons“, „den größten okkulten Gelehrten“ oder „ausgezeichnetsten Dichter“ des Jahrhunderts.
Crowley war ein Mystiker, Magier, Gelehrter, Poet, Bergsteiger und höchstwahrscheinlich auch ein echter Prophet. Ohne Zweifel wurde er zur „Legende seiner eigenen Zeit“Alice im Wunderland„
Der Equinox erscheint weiterhin
Gegrüßet seist du Maria!
Zwei weitere Gedichtbände
Das Ende des Equinox
Das Buch der Lügen
Buch Vier
Ein Poet aus Cambridge
Neunzehnhundertvierzehn
Kapitel 4 - Der Krieg (1914 - 1919)
Aktivitäten in Amerika
The International
Erneut der Equinox
Crowley und Amerika
Kapitel 5 - Nach dem Krieg
Die “Kindfrau„Ja, aber was für einer!“ Ich werde mich bemühen, solcherlei Extreme zu meiden. Ich kann nicht richtig mit Leuten diskutieren, die der Meinung sind, Crowley sei mehr als nur ein Mensch - einer aus der Hierarchie der Jenseitigen nämlich. Ebenso wenig aber gelingt es mir, mit Leuten zu diskutieren, die behaupten, er sei weniger als ein Mensch - nämlich (um es gelinde auszudrücken) ein Dämon in Menschengestalt. Als Nicht-Okkultist fühle ich mich nicht befugt, mich auf solche magischen Fachdiskussionen einzulassen. Eines der schlagkräftigsten Argumente, die es zu Gunsten Crowleys vorzubringen gibt, ist die Tatsache, dass er ohne jeden Zweifel ein Mensch ist.
Mehr noch: ein interessanter Mensch, ein außergewöhnlicher Mensch; und außerdem ein verdammt guter Dichter - sowohl was seine Lyrik angeht als auch sein Leben. Über sein dichterisches Schaffen weiß die Öffentlichkeit so gut wie nichts. Dafür sind eine Menge schmutziger Gerüchte im Umlauf. Ich schätze mich glücklich, nach eingehender Untersuchung sagen zu können: Diese Gerüchte sind erwartungsgemäß falsch, jedoch noch schändlicher, noch schäbiger als alles, was man diesem Mann zuvor schon in die Schuhe geschoben hat.
Dreißig Jahre lang bewarf man Crowley unverdrossen mit jeder Menge Schmutz, um sich in den letzten Jahren in ein regelrecht Bombardement hineinzusteigern. Schmutzwerfen auf Crowley - das ist zu einer beliebten sportlichen Disziplin geworden. Was umso leichter fällt, da er sich nicht die Mühe macht, dem geworfenen Schmutz auszuweichen. Er glaubt, er könne nicht getroffen werden, er hält jenen Schmutz und diejenigen, die damit werfen, für kurzlebige Erscheinungen, für gar nicht vorhanden, er misst ihnen keinerlei nennenswerte kosmische Bedeutung bei. Schreibt beispielsweise ein Journalist einen abfälligen Dreispalter, in dem er ihn mit Jack the Ripper vergleicht, scheint Crowley davon auszugehen, solch blanker Unfug werde von intelligenten Menschen ohnehin nicht geglaubt - und was die Nicht-Intelligenten denken, sei sowieso egal. Es ist gut möglich, dass Crowley das auf dieser Welt bestehende Ausmaß an mangelnder Intelligenz unterschätzt. Er ist ein ausgesprochen talentierter Literat, doch gegen die skurrilen Anfeindungen von Journalisten wie James Douglas und Horatio Bottomley hat er sich nie richtig verteidigt. Glaubt er womöglich, sie hätten es gar nicht verdient, von ihm ernst genommen zu werden?
Falls ja, so hindert sein Hochmut ihn vielleicht an der Erkenntnis, dass viel, sehr viel von dem geworfenen Straßenschmutz an ihm klebengeblieben ist. Eine Reihe „Normalbürger“, die sonst einen durchaus intelligenten Eindruck machen, empfinden Unbehagen, wenn Crowleys Name fällt und denken, an dem Gerede müsse ja „was dran sein“. Sie ziehen es vor, ihr Wissen über ihn aus der Gerüchteküche und der Lügenpresse zu beziehen, sie wollen „auf Nummer Sicher gehen“ und lieber nichts mit Aleister Crowley zu tun haben. Es ist schwer, solche Leute bei einer Diskussion aus der Reserve zu locken. Sie wollen darüber nicht reden. Trotzdem sind es Vorurteile, einfach nur Vorurteile, die sie gegenüber Crowley hegen. Er ist für sie gleichermaßen Anathema und Tabu.
Warum eigentlich? Wer oder was ist Aleister Crowley, dass man ihn wie keinen Zweiten zur Zielscheibe infamer Lügengeschichten macht? Diese Frage ist es, der ich in meiner kleinen Studie nachgehen möchte. Crowley ist ein kraftvoller Poet, und kraftvolle Poeten erfreuen sich meist keiner allzu großen Beliebtheit, siehe Byron etc., der auch heute noch als zweifelhafte Figur gilt. Jener morbide und weltfremde Schmierfink namens James Douglas schrieb erst kürzlich mit einem Schaudern über den „fettleibigen“ Byron.
Wahrscheinlich hätte Byron Douglas bei einem Wettschwimmen über den Hellespont gern ein wenig Starthilfe gegeben - von wegen Plattfuß, angebliche Fettleibigkeit etc. Noch viel wahrscheinlicher hätte er ihm sogar die Benutzung eines Schlauchboots gestattet. Und derselbe tintenklecksende Sportsmann war es, der Crowley als degeneriert und bösartig bezeichnete - einen Mann, der mehr Berge erklommen hat als Douglas je Artikel geschrieben. Und Berge reichen höher hinauf als die in einem Sonntagsblatt erlaubten Spitzfindigkeiten; und sind schwerer zu bewältigen.
Will man die Motive ergründen, die zu den Attacken auf Crowleys Leumund führten, so sollte man nie vergessen, dass er ein Dichter war, ein erfolgreicher Dichter, d. h. einer, der seine Berufung zum Poeten erfolgreich in die Tat umsetzte. Die Ressentiments von Kleinpoeten und frustrierten Dichterlingen wie James Douglas gegen einen erfolgreichen Kollegen können schreckliche Züge annehmen. Es hieße jedoch ins Unrealistische abzugleiten, wollte man sämtliche Legenden, die über Crowley verbreitet wurden, ausschließlich dem bitteren Neid seiner poetischen Mistreiter zuschreiben. Selbst dafür waren ihre Übergriffe noch zu boshaft. Wir müssen uns also anderswo auf die Suche machen.
Der Vaterlandsfreund Bottomley hat James Douglas bei der Ausgestaltung der Crowley-Legende in ihren gröbsten Bestandteilen, in ihren populärsten und aufsehenerregendsten Komponenten, auf jeden Fall zur Seite gestanden. Was sollen wir schon über den armen Bottomley sagen? Crowley hätte wahrscheinlich gesagt: „Er hat schon genug gelitten. Und genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken.“ Trotzdem kommen wir nicht dran vorbei, Bottomley und seinen John Bull ebenso wie James Douglas und seinen Sunday Express zu den Haupt-Schmutzwerfern gegen die in Bedrängnis geratene Hau-den-Lukas-Gestalt Crowley zu erklären.
Crowley hat jahrelang im Ausland gelebt. Und eigentlich hätte man meinen können, schlafende Hunde würden nicht geweckt werden - aber von wegen. Erst im Mai 1929 wurde Crowley im John Bull wieder einmal als „schlimmste Person Englands“ bezeichnet, gefolgt von der Warnung, er möge ja nicht wieder zurückkommen. Als Crowley nach London kam, traf er sich zu einem gemütlichen Abendessen mit einem Scotland Yard-Chef, und damit hatte es sich.
Die Herausgeber seiner mittlerweile im Druck befindlichen Autobiografie hatten bei ihrer Arbeit viel zu Lachen. Komische Käuze kamen in ihr Büro angetanzt, um kryptische Warnungen auszustoßen und wieder zu verschwinden, ohne dass jemand ihre Identität hätte feststellen können. Einer von ihnen murmelte: „Vergesst nicht, eure Finger zu kreuzen, wenn ihr von Aleister Crowley sprecht.“ Tatsächlich hielt er die eigenen Finger während seiner Anwesenheit in unserem Büro fortwährend gekreuzt. „Dieser Mann hat übernatürliche Kräfte“, sagte er. „Er kann Gedanken lesen; ja, er weiß, was wir jetzt in diesem Moment denken.“ Auf weitere Nachfrage wollte der seltsame Besucher keine Auskunft mehr erteilen, sondern machte sich nur - mit nach wie vor gekreuzten Fingern - von dannen und raunte mit schauriger Stimme wie der Geist von Hamlets Vater: „Vergesst es nicht, vergesst es nicht!“
Auch andere liebe Freunde gaben dem Herausgeber ihre „eindringlichen Warnungen“ mit auf den Weg und meinten es sogar gut. Die meisten von ihnen staunten nicht schlecht, wenn sie z. B. während einer Diskussion erfuhren, dass Crowley wieder in England weilte und wie ein ganz normaler Schriftsteller seinem Handwerk nachging, Druckfahnen korrigierte und die Zeitungen nach Buchkritiken durchforstete. Irgendwie hatten sie alle geglaubt, Crowley würde, sobald er einen Fuß auf die Insel setzte, sofort verhaftet werden. Als sie erfuhren, dass Crowley im Laufe seines abenteuerlichen Lebens nicht ein einziges Mal irgendeines Verbrechens beschuldigt worden war, sagten sie: „Hm, da sieht man mal, wie durchtrieben der Kerl ist.“
Die Legende lebt.
Viele Buchhändler weigerten sich hartnäckig, Werbeprospekte für Crowleys Bücher zu verteilen oder seine Autobiografie in ihr Sortiment aufzunehmen - selbst dann noch, als Bestellungen eingingen. Der typische Einwand von Personen, die keine Zeile des Buches selbst gelesen hatten, lautete: „Wir wollen mit diesem ganzen Liebeskult-Zeugs nichts zu tun haben!“ So gut wie alle ermahnten sie die Verleger in freundlichem Tonfall, "in allem, was mit Crowley zu tun hat, vorsichtig, sehr sehr vorsichtig zu sein's. Sie trennten sich zwar später im Streit, doch achtete Regardie Crowley weiterhin hoch. 1937 veröffentlichte er unauthorisiert in mehreren Werken die kompletten Geheimnisumwobenen Rituale und Aufzeichnungen des Ordo Templi Orientis (O. T. O.), da er den Zerfall des Ordens und den damit verbundenen Verlust aller bis dahin gemachten Aufzeichnungen befürchtete. Um 1934 trat er dem Golden-Dawn-Nachfolgeorden 'Stella Matutina' bei. Er starb 1983.
P. R. Stephensen war Autor und Verleger, der unter anderem Aleister Crowleys Buch „Gilles de Rais“ (Originaltitel: „The Banned Lecture, GILLES DE RAIS“, to have been delivered before The Oxford University Poetry Society by Aleister Crowley.) veröffentlichte. Crowley war an 'de Rais" und wird für seine vielen Talente vermutlich erst dann Anerkennung ernten, wenn wir - die weniger großen Geister - die Zeit finden werden, alles was er lehrte, zu verinnerlichen bzw. wenn sich der Welt die Gelegenheit bietet, Zugang zu seiner Vision zu finden.
Ohne Zweifel - Crowley war genau jener Poser, jener Egoist, jenes enfant terrible, als das seine Rezensenten ihn oft bezeichneten. Nur weigerten sie sich - abgesehen von ein oder zwei Ausnahmen - auch nur einen einzigen der übrigen Aspekte jenes Mannes wahrzunehmen, der nicht nur ein großer Mystiker, sondern auch ein aufrichtiger, hingebungsvoller und hart arbeitender Mensch war. Die Anforderungen, die er an seine Schüler stellte, waren nicht annähernd so hart wie das, was er sich selbst abverlangte. Natürlich bot er auch Anlass zu Kritik. Auf dieselbe Weise jedoch verlangt vieles von dem, was er tat, nach Lob und Anerkennung. Es ist höchste Zeit, neue Maßstäbe anzulegen und zu einem ausgeglichenen Urteil zu gelangen.
Dieses Buch sowie Das Auge im Dreieck werden als wertvolle und aufrichtige Würdigungen des wahren Aleister Crowley wohl lange Zeit gelesen werden. Man kann sie als eine auf Fakten gestützte Widerlegung der weit verbreiteten Gerüchte oder der von Nicht-Okkultisten verfassten Biographien verstehen. Wem es am notwendigen Wissen über Magie und Okkultismus mangelt, der wird Crowley niemals richtig einschätzen oder verstehen können.