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„In jenen Wochen des Herbstes 1989, den Enthusiasten als friedliche Revolution bezeichnen, ahnten die Hellerauer Tischler und Monteure nicht, was auf sie zukommen sollte. Niemand wußte, daß die Monate des Staates gezählt waren. Die Arbeiter und Meister gingen ins Werk, wie sie es seit Jahrzehnten gewohnt waren, in aller Frühe und pünktlich. Pünktlichkeit war eine der Tugenden, auf die sie Wert legten, und Zuverlässigkeit. Sie stellten die Maschinen in der großen Halle an, schützten ihre Ohren vor dem Dröhnen und Kreischen der Sägen und Fräsen und wandten sich ihrer Arbeit zu. Ein Nicken, eine Armbewegung, der Ablauf war seit langem erprobt. Sie verstanden sich ohne viel Worte. Die Bücher waren mit Aufträgen gefüllt. Die Montagemöbel waren nicht nur in dem kleinen Land zwischen Neiße und Werra gefragt. Möbel aus den traditionsreichen Deutschen Werkstätten, die der Tischlergeselle Karl Schmidt gegründet hatte, galten als Gütezeichen. Auf Hellerauer Schrankwände, auf Kinder- und Schlafzimmer mußte man warten wie auf ein Auto oder eine Kühlbox, zwar nicht so lange, aber einige Monate schon. Daß sich das ändern könnte, kam den Tischlern nicht in den Sinn. Inzwischen trafen sich in Leipzig Zehntausende zur Montagsdemonstration und übten Mündigkeit. In Dresden zogen die Menschen über die Augustusbrücke in die rechtselbische Neustadt und kehrten über die Brücke der Einheit wieder in die Altstadt zurück. Auch Hellerauer Tischler und Monteure waren darunter.“