Bruder Feuer von Luise Rinser | ISBN 9783522174282

Bruder Feuer

von Luise Rinser
Buchcover Bruder Feuer | Luise Rinser | EAN 9783522174282 | ISBN 3-522-17428-3 | ISBN 978-3-522-17428-2

Bruder Feuer

von Luise Rinser
Luise Rinser wird 90. Zum Geburtstag der Erfolgsautorin wieder lieferbar: Franz von Assisi einmal anders. Ab 13.
„Er war großartig unbequem in seiner Zeit, man kam nicht um diesen brennenden Dornbusch herum“ - Franz von Assisi, was wäre er, wenn er heute lebte? In einem ihrer erfolgreichsten Romane wagt Luise Rinser den Sprung über die Jahrhunderte hinweg und zeigt, wie aktuell „der Heilige der jungen und der sich immer wandelnden Menschen“ noch immer ist.
Autorenporträt:
Luise Rinser wurde 1911 in Pitzling/Oberbayern geboren. Sie studierte Psychologie und Pädagogik und war von 1935 bis 1939 als Lehrerin tätig. 1940 erschien ihre erste Erzählung „Die gläsernen Ringe“. In den folgenden Jahren durfte sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. 1944 bis 1945 wurde sie wegen „Wehrkraftzersetzung“ inhaftiert. Später arbeitete sie als Journalistin und freie Schriftstellerin. Von 1953 bis 1959 war Luise Rinser mit Carl Orff verheiratet. Ihre psychologisch differenzierten Romane und Erzählungen beschreiben häufig Frauenschicksale; der Katholizismus bildet den geistigen Hintergrund. Darüber hinaus veröffentlichte sie auch Hörspiele, Tagebücher und Essays. Die Kinder- und Jugendbücher der preisgekrönten Erfolgsautorin erschienen im Thienemann Verlag.
Leseprobe:
„Danke“, sagte ich, „danke, Paola. Können Sie mir noch mehr über Franz erzählen?“ „Ich kam bald danach fort, nach Mailand, zu einer Tante, ich sollte dort den Haushalt lernen, ich musste zwei Jahre dort bleiben und hörte nichts mehr von Franz, aber als ich zurückkam, hörte ich umso mehr und so Verschiedenes, dass ich mir überhaupt keinen Reim darauf machen konnte. Erst nach und nach verstand ich das alles. Die Leute sagten, Franz sei wirklich verrückt geworden, er laufe in einen alten Sack gekleidet in den Bergen herum und rede mit den Tieren. Die andern sagten, er sei ein überspannter Linksradikaler geworden, der eine gewaltlose Revolution predige und Anhänger gewonnen habe, die mit ihm im Gebirge lebten und das Geld verabscheuten und überall Besitzlosigkeit predigten. Andere sagten, er habe den religiösen Wahn, das Reich Gottes auf Erden gründen zu sollen. Andere sagten, er sei ein Heiliger geworden und büße für die Sünden seiner Jugend. Und andere sagten, er sei ein ideologischer Krimineller, er habe zum Beispiel eine Unterschlagung gemacht und das Geld mit seiner Bande durchgebracht. Aber alles war Unsinn, es war ganz, ganz anders.“ „Was für eine Geschichte mit der Unterschlagung ist das?“ "Einmal sollte Franz im Auftrag seines Vaters ein paar Ballen Stoff nach Foligno bringen und dort verkaufen. Das tat er, aber er brachte das Geld nicht zurück und kam auch selber nicht zurück. Er hatte, das weiß man inzwischen, das Geld zum größten Teil verschenkt, und zwar an einen Priester, dessen Gemeinde so arm war, dass Kirche und Pfarrhaus noch verfallener waren als die Häuser der Armen dort. Und Franz war dort geblieben und half beim Wiederaufbau. Als sein Vater das erfuhr, nachdem er von einer langen Geschäftsreise zurückkam, war er außer sich und ließ seinen Sohn von der Polizei holen und vor Gericht bringen, und es kam zu einer schrecklichen Szene. Der Vater schrie: 'Du Herumtreiber, Asozialer, Krimineller, gib mir mein Geld zurück!' Und Franz gab ihm den nur mehr halb vollen Beutel. Dann zog er sich aus, schweigend, Stück für Stück legte er ab und machte ein Bündel daraus und legte es auf den Boden, und als er splitternackt dastand vor allen Leuten, sagte er: 'Nimm alles zurück, was dir gehört, jetzt bist du von mir frei und ich bin's von dir, ich habe keinen Vater mehr.' Dann drehte er sich um und ging fort und kam nie wieder."