Buchstabensalat & Leseraum von Gabriele Hartmann | Haiku Haibun Haiga Fotografie / Haiku Haibun Haiga HIQ Tanka | ISBN 9783945890356

Buchstabensalat & Leseraum

Haiku Haibun Haiga Fotografie / Haiku Haibun Haiga HIQ Tanka

von Gabriele Hartmann und Georges Hartmann
Mitwirkende
Autor / AutorinGabriele Hartmann
Autor / AutorinGeorges Hartmann
Buchcover Buchstabensalat & Leseraum | Gabriele Hartmann | EAN 9783945890356 | ISBN 3-945890-35-7 | ISBN 978-3-945890-35-6
Erwachsene mit Sinn für Lyrik und Collage

Rüdiger Jung Rezension
Gabriele Hartmann: LESERAUM. Haiku Haibun Haiga HIQ Tanka Georges Hartmann: BUCHSTABENSALAT. Haiku Haibun Haiga Fotografie
Ein wahrhaft janusköpfiges Werk. Blättere ich von der einen Seite bis zur Buchmitte, befinde ich mich in Gabrieles „Leseraum“. Drehe ich das Buch um 180 Grad, bewirtet mich Georges mit „Buchstabensalat".
LESERAUM
Es muss nicht die Flucht vor Regen sein, die mich in den „Leseraum“ führt – auch wenn das titelgebende Haiga auf Seite 2 diese Möglichkeit nahelegt. Zu entdecken gibt es da allemal viel – von der so schlichten wie tiefgründigen Momentaufnahme:

Drehorgelspiel tief in unseren Taschen die Hände (S. 11)
bis zur rückhaltlosen Introspektion:
Vorhaltungen die Lust an einem alten Stich zu kratzen (S. 14)
Die „graue Vorstadt“ erzwingt geradezu das Misreading „graue Vorzeit“, wo die Enge von früher verräumlicht und geradezu verstörend gegenwärtig scheint:
graue Vorstadt die Sünde neuer Schuhe (S. 14)
„alter Teich“ ist mehr als nur Reminiszenz an Basho; ein berühmtes Märchen der Brüder Grimm erhält überdies eine zweite Chance:
alter Teich … noch einmal werfe ich die goldne Kugel (S. 12)
An die Zen-Wurzel der Haiku-Dichtung, MU als „Erwachen vor der Tatsache“ gemahnt mich:
Spannung die Leinwand schnurrt zusammen (S. 11)
Scheinbare Verlegenheit, scheinbares Scheitern erweist sich in Wirklichkeit als ein Geschenk des Gelingens:
kaue am Pinsel der Versuch Stille zu malen bleibt Schnee (S. 13)
Meisterschaft ist zumal den Haibun zuzusprechen. „Kölnisch Wasser“ dreht sich nicht um Parfum, sondern um hochprozentige Getränke und ihr Gefahrenpotential. Inmitten von Sprüchen, die verharmlosen, einschläfern, bagatellisieren, werden zwei Untersetzer auf halbvollen Gläsern zum Bekenntnisakt, der – das abschliessende Haiku legt es nahe – zu zweit leichter zu leisten ist:
Rheinterrassen gegen den Strom zwei Fische (S. 19)
„Fastenzeit“ (S. 7) ist für mich schon jetzt – und nicht nur der Reminiszenz an Camus halber – DAS Haibun der Corona-Pandemie.
BUCHSTABENSALAT
Der „Buchstabensalat“ von Georges kommt bescheiden daher, man sollte sich davon nicht blenden lassen: Es geht um vitaminreiche Kost, Vitamin B wie „Basho“ und Empathie für die Mitkreatur.
Die Amsel badet im plätschernden Dorfbrunnen gern tät ich ihr’s gleich (S. 5)
Er muss mit keinem Wort erwähnt werden – der „gewurmte“ Verlierer – und hat doch unser volles Mitgefühl:
Tauziehen im Gras und wieder fliegt die Amsel als Sieger vom Platz (S. 11)
Günter Kunert schreibt in einem seiner Gedichte von fliegenden Fischen, die weggeworfen werden wegen fehlenden Gesangs. Auf einer Ebene damit schreibt Georges:
Die Kunden enttäuscht der fliegende Teppich ohne Navi (S. 12)
Liebe zu zeigen hat manchmal die Zeit zum Feind:
Jetzt, da du fort bist sind die Rosen voll erblüht wollt’s dir noch zeigen (S. 17)
Solange die Natur die menschlichen Zeugnisse überdauert, liegt darin ein verhaltener Trost:
Die Heckenrosen am stillgelegten Bahngleis blühn wie jedes Jahr (S. 20)
Am stärksten scheinen mir Georges Hartmanns Haiku immer wieder da, wo sie Verlassenheit bezeugen, die Wehmut des Vergänglichen evozieren:
Nach dem Saison-Schluss bespielt den Minigolf-Platz ganz allein der Wind (S. 5)
Das kleine Pappschild an der Tür zum Eis-Salon schimmert im Herbstlicht (S. 18)
Schneeflocken tanzen doch der Schlitten im Keller kennt nur noch den Staub (S. 21)
Um den Haiku-Dichter Georges Hartmann zu beschreiben, ist dieser Aspekt freilich nur „die halbe Miete“. Es gibt da noch eine andere Seite von geradezu taoistischer Gleichmut:
In der Sonnenglut stört sich der Hund vorm Haustor nicht an der Katze (S. 10)
Der Nebel mag eine Realität sein; undurchdringlich ist er nicht:
Im dichten Nebel hör ich das helle Lachen spielender Kinder (S. 17)
Kein Handicap, aus dem sich nicht – selbst noch im Winter – etwas machen ließe:
Draußen schneit’s wieder er liest die Unterschriften auf dem Gipsbein (S. 21)

Rüdiger Jung
Ein wahrhaft janusköpfiges Werk. Blättere ich von der einen Seite bis zur Buchmitte, befinde ich mich in Gabrieles „Leseraum“. Drehe ich das Buch um 180 Grad, bewirtet mich Georges mit „Buchstabensalat".

Buchstabensalat & Leseraum

Haiku Haibun Haiga Fotografie / Haiku Haibun Haiga HIQ Tanka

von Gabriele Hartmann und Georges Hartmann
Mitwirkende
Autor / AutorinGabriele Hartmann
Autor / AutorinGeorges Hartmann
Gabriele Hartmann: LESERAUM. Haiku Haibun Haiga HIQ Tanka Georges Hartmann: BUCHSTABENSALAT. Haiku Haibun Haiga Fotografie
Das Buch fängt zweimal von vorne an und trifft sich in der Mitte ... Jeder hat 22 Seiten mit eigenen Werken – und doch ein gemeinsames Buch.
Alle Abbildungen sind in Farbe, die Bilder nach unten gespiegelt, ragen hier und dort in die Texte hinein. Persönliches Erleben hat Ausdruck in Kurz-Prosa und Haiku gefunden. Ein besonderes Buch.