studioblau 16 | Stefan Zöllner, Per Dybvig, Heiko Wommelsdorf, Barbara Herold & Florian Huth | ISBN 9783945126363

studioblau 16

Stefan Zöllner, Per Dybvig, Heiko Wommelsdorf, Barbara Herold & Florian Huth

Buchcover studioblau 16  | EAN 9783945126363 | ISBN 3-945126-36-3 | ISBN 978-3-945126-36-3

studioblau 16

Stefan Zöllner, Per Dybvig, Heiko Wommelsdorf, Barbara Herold & Florian Huth

Studioblau 16
In seinem studioblau bietet das Saarländische Künstlerhaus nationalen und internationalen Künstlern die Möglichkeit, insbesondere medienbasierte Installationen zu zeigen. Da der Raum komplett abgedunkelt werden kann und im Kellergeschoss liegt, ist er für Video-, Licht- und Klanginstallationen besonders geeignet.
Zu Gast waren in diesem Jahr Stefan Zöllner, Per Dybvig, Heiko Wommelsdorf sowie das Künstlerduo Barbara Herold & Florian Huth.
Stefan Zöllners Objekt- und Videoinstallation „Transnature“ verlieh dem Raum eine völlig neue Wahrnehmungsdimension. Die aus Fundstücken vom Rheinufer zusammengesetzten Objekte, in gläsernen Vitrinen oder auf Glastischen zur Schau gestellt und mit einer intelligenten Lichtinstallation rot, grün oder blau inszeniert, vermittelten die Illusion, sich in einem Versuchslabor oder einer Kuriositätensammlung des späten 19. Jahrhunderts zu befinden. Wobei Letzteres, bei genauerer Betrachtung der höchst eigenwillig, mit viel Sinn für skurrilen, schwarzen und erotischen Humor montierten Objekte, durchaus zutreffend ist. Bei einigen dieser Objekte konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie, obwohl als aus leblosen Einzelteilen zusammengefügt deutlich erkennbar, dass eben jene Dinge nachts, nachts alleine im Museum, in regen Austausch miteinander treten würden. Ein Eindruck, der zusätzlich suggeriert wurde durch drei parallel laufende Wandprojektionen, die durch geschicktes Morphing die unendliche Verwandlung und Verbindung von organischen und anorganischen Formen und Gebilden lebendig erscheinen ließen.
Per Dybvig ist einer der gegenwärtig bedeutendsten Illustratoren und Zeichner Norwegens. In Deutschland ist er fast ausschließlich bekannt durch seine Illustrationen zu Jo Nesbøs Kinderbuchreihe um „Doktor Proktor“. In Dybvigs meist schwarz-weißen, oft großformatigen Zeichnungen verschwimmen die Grenzen vom Realen zum Surrealen und erzeugen, gerade durch die Übertragung ins Groteske und Absurde, Überrealitäten, die unsere alltägliche Wirklichkeit oft schmerzlich genau beschreiben. Das Saarländische Künstlerhaus hatte im Frühjahr 2016 die Möglichkeit, unter dem Titel „Hunter, Hare, Dog“ eine Reihe von Zeichentrickfilmen zu zeigen, die zwischen 2010 und 2014 entstanden sind. Diese Filme sind beispielhaft für Dybvigs wörtlich zu nehmenden „fabelhaften“ Ansatz, absurde Parallelwelten zu schaffen. Die Jäger werden zu Gejagten, gejagt von rauchenden und wild um sich schießenden Hasen. Eine lakonische Stimme kommentiert die Ereignisse – mal passend, mal konterkarierend. Parallelen zum Holzschnitt „Hasen fangen die Jäger“ von Georg Pencz aus dem Jahre 1535 mit einem Text von Hans Sachs sind offensichtlich und kein Geheimnis.
Das studioblau wird informell oft schlicht auch als Keller bezeichnet. Und das hat Heiko Wommelsdorf ganz wörtlich genommen und … einen Keller aufgebaut. Seine Klanginstallation „Nebengeräusche“ ließ denn auch nicht wenige Besucher etwas ratlos zurück. Manch einer dachte wohl auch, sich verlaufen zu haben. Allenfalls der Hygrometer erinnerte an einen musealen Zusammenhang, obwohl diese Apparatur auch aus anderen Gründen dort hätte stehen können. Künstliche Abzugsschächte, ein Heizkörper und dessen scheinbare Nebengeräusche vermittelten den Eindruck eines einfachen leeren Kellerraumes. Die Illusion dessen, was sowieso schon da ist. Vielleicht ein Simulacrum. Der Keller als Simulacrum des studioblau. Oder umgekehrt. Wer kann das schon so genau sagen? Die Rekonstruktion dessen, was ist, um seine Funktion zu verdeutlichen. Aber keine Kopie. So ähnlich, aber eleganter, würde es Roland Barthes ausdrücken. Da der aber nicht kopiert werden soll, muss hier die Rekonstruktion seines Gedankens genügen.
Fast das Gegenteil, möchte man meinen, inszenierte das Künstlerduo Barbara Herold & Florian Huth mit seiner Multimedia-Installation „I WE ALL“. Keine Rekonstruktion des Gegebenen, sondern die Konstruktion des vorher nicht Vorhandenen steht im Fokus ihrer Arbeit. Die Kulisse. Das Künstliche im Zusammen mit dem Realen als Simulation einer idealisierten Wirklichkeit, die als solches Gebilde wirklicher sein kann, als sie zuerst scheint – oder aber auch verfälscht und nichtig wird. Kulisse ist der Schein des Anderen, der Schein dessen, was nicht ist. Im gemeinsamen Spiel mit dem Realen wird sie selbst zur eigenen Realität, jedoch nur als zeitlich und räumlich begrenztes Ding, das, fällt es wieder weg, das Reale bloßstellt. Als des Kaisers neue Kleider offenbart sie mehr, als sie verbirgt, verschönt, verfälscht. In „I WE ALL“ wird die Kulisse aber auch um ihrer selbst Willen als eigenständiges Realitätsfragment inszeniert. Als real gewordenes Trugbild, das den Betrachter fragend zurücklässt. Und Kunst, die Fragen aufwirft, ist immer auf dem richtigen Weg.
Bernd Nixdorf