Kerstin von Gabain | Raver geht ins archäologisches Museum | ISBN 9783902592798

Kerstin von Gabain

Raver geht ins archäologisches Museum

herausgegeben von Secession KünstlerInnenvereinigung
Buchcover Kerstin von Gabain  | EAN 9783902592798 | ISBN 3-902592-79-6 | ISBN 978-3-902592-79-8

Kerstin von Gabain

Raver geht ins archäologisches Museum

herausgegeben von Secession KünstlerInnenvereinigung
Das performative Spiel mit Skulpturen und die Übersetzung dieser Interaktion in das Medium der Fotografie sowie der unorthodoxe Brückenschlag zwischen dem klassischen Altertum und gegenwärtiger Kultur stehen im Mittelpunkt dieser eigens für die Secession konzipierten Installation. Skulpturen und Fotos in dialogischer Verbindung bilden eine Raumsituation, deren ambiguer Charakter von fast beiläufigen Interventionen wie einer Soundinstallation im Treppenaufgang (in Zusammenarbeit mit Johann Neumeister) und von wie zufällig platzierten Objekten noch verstärkt wird. Die Verbindung von „high and low“, Hoch- und Populärkultur findet bei von Gabain ganz selbstverständlich statt und ist weniger Kritik an Kategorisierungsmodellen als das Ergebnis gelebter Praxis und Lebensrealität.
Ihre Inspiration für die neuesten Arbeiten fand von Gabain in einer Publikation aus den 1960er-Jahren zu einem Symposium über archaische griechische Kunst, die zunächst ihr Interesse an archäologischen Präsentationsformen weckte. Standen am Beginn griechische Skulpturen und Darstellungskonventionen archäologischer Museen Pate für die Abgüsse und die Fotografien, emanzipierte sich die Künstlerin im Lauf der Arbeit zunehmend davon zugunsten grotesk-makaberer Inszenierungen. Ihre spielerische Auseinandersetzung entwickelte sich im Verlauf der Arbeit zu einem humorvollen „culture clash“ zwischen Antike und der Musikkultur von Rave und Techno. Fotografien von in Gips abgegossenen Gliedmaßen – teilweise in narrativen Inszenierungen – sowie Assemblagen aus Gipsscherben basieren auf den Skulpturen, mit denen von Gabain über einen längeren Zeitraum experimentierte. Die Skulpturen stehen nicht als Produkt am Schlusspunkt eines künstlerischen Arbeitsprozesses, sondern waren für von Gabain Ausgangspunkte für bizarre Inszenierungen, die sie folglich in analoge Schwarzweißfotografien übertrug. Isoliert vor meist schwarzem Hintergrund fotografierte sie die einzelnen Skulpturen mit scheinbar objektivem Blick, der die nüchterne und systematische Erfassung von Gegenständen imitiert, wie sie beispielsweise bei der Inventarisierung und Dokumentation von Sammlungsgegenständen in Museen oder zu Studienzwecken für wissenschaftliche Forschungen erstellt werden. Die formale Strenge der Fotos wird dabei von den Posen wie etwa „tanzenden“ Füßen und Inszenierungen der Objekte konterkariert und ins Absurde gesteigert. Die Realitätsebenen verschwimmen, wenn von Gabain ihren abgegossenen Beinen Schuhe anzieht, einen Arm mit einer Armbanduhr schmückt oder eine mit Kapuzenjacke bekleidete Person ein beschuhtes Beinfragment hinter den Rücken hält. Flüchtige und temporäre Zusammenstellungen wie die Assemblagen 6 Raver, „Gesichter“ aus fragmentarischen Abgüssen von Bierdosen, Flaschenböden und Zigaretten, stellen den anderen Extrempunkt zum (griechischen) Urfuß dar.
Creating a performative interplay with sculpture, translating this interplay into the medium of photography, as well as bridging classical antiquity and contemporary culture in an unorthodox manner are all key aspects of the series of works which von Gabain has produced for her show in the Secession. The dialogue between sculptures and photographs engenders a spatial situation whose ambiguous nature is further heightened by almost casual interventions including a sound installation in the staircase (in collaboration with Johann Neumeister) and objects discreetly placed here and there as though at random. The blending of “high” and “low,” of black-tie and popular culture, is an integral part of von Gabain’s art; it is not so much a critique of classificatory models as rather a self-evident result of daily practice and the reality of individual experiences.
For her most recent work von Gabain took inspiration from a publication accompanying a symposium on archaic Greek art from the 1960s that awakened her interest in the forms in which archaeological objects are displayed. Greek sculptures and modes of presentation typically found in archaeological museums provided the initial model for von Gabain’s casts and photographs, but as the work progressed, she increasingly liberated herself from this approach in favor of grotesque and macabre productions. Her playful engagement with the materials gradually gave rise to a humorous “culture clash” between antiquity and the music cultures of raves and techno music. The photographs of plaster casts of limbs—some embedded in narrative theatrical productions—and assemblages made of plaster fragments are based on Gabain’s extended experimentation with the sculptures. Rather than being the final product at the end of an artistic process, her sculptures represent a starting point for playful enactments which she then captures in analogue, black-and-white photographs. The artist photographed the individual sculptures isolated against a black background with a seemingly objective eye—an eye that imitates the sober and systematic recording of objects in a style reminiscent of the photographs used to document and inventory collections in museums or for scientific research. The formal rigor of the photographs is undermined by absurd exaggeration: consider poses such as “dancing” feet and the staging of the objects. Moreover, the grounding in reality becomes unclear when, for example, she puts shoes on casts of legs, decorates an arm with a wristwatch, or has a person wearing a hoodie holding a fragment of a shod leg behind their back. If the (Greek) Urfuß (primordial foot) represents one end of a spectrum, fleeting, temporary arrangements such as the assemblages 6 Raver (6 Ravers), “faces” composed of fragmentary casts of beer cans, bottle bottoms, and cigarettes mark the other extreme.